Frau aus Vex

Das Wallis verdankt Raphy Dallèves die Gründung des Kantonalen Kunstmuseums. Der Künstler hat nämlich sein ganzes Oeuvre dem Staat vermacht. Dieser Bestand, der nahezu zweihundert Werke umfasst, weist nur wenige Ölgemälde auf. Sie gehören zu seinen Frühwerken. 
Der Sittener Künstler stand Ernest Biéler nahe und ahmte zunächst in der Wahl der Themen und der Technik seinen grossen Lehrer nach. lm Winter 1905/1906 entwickelte er einen Stil, von dem er hoffte, er werde ebenso realistisch sein wie die Werke der flämischen Primitiven. Dallèves verwendete nun ebenfalls die Temperatechnik und später nur noch Farbstifte. Das schlug sich in seinem Stil nieder; er bevorzugte nunmehr die naturnahe Zeichnung, die alle Falten des Gesichts und der Hände hervortreten lässt. Doch weil er allzu genau schildern wollte, raubte er den abgebildeten Personen jegliche Grösse und die letzte Spur von Leben. 
Diese Eigenschaften sind in der Darstellung der jungen Frau von Vex glücklicherweise noch nicht vorhanden. Sie ist von eindrucksvoller Präsenz. In eine schlichte dunkle Tracht gekleidet, nimmt sie in der Vertikalen den ganzen Bildraum ein. Der Hintergrund besteht aus den Elementen einer kaum angedeuteten Baracke, die von einem Lattenzaun umgeben ist. Der Künstler drückt das Wesentliche mit bemerkenswerter Sparsamkeit im Gebrauch der Mittel und der Farben aus. Sogar das Zubehör der ortsüblichen Tracht ist mit grösster Zurückhaltung wiedergegeben, denn der Hut und das Tuch verschmelzen mit der Masse der Silhouette. Die Figur gewinnt eine hieratische Grösse und Würde, weil das Ganze ausserordentlich einfach gehalten ist. Dallèves macht dem Anekdotischen keine Zugeständnisse; seine Palette verzichtet auf chromatische Effekte. Gerade diese Nüchternheit verleiht der Komposition paradoxerweise Grösse und Monumentalität. Sie ist ein perfektes Stück Malerei.
 

Dallèves Raphy

Raphy Dallèves wurde am 26. Januar 1878 in Sitten geboren. Joseph Morand erteilte ihm den ersten Malunterricht. lm Jahre 1899 zog er nach Paris. Er besuchte zunächst die Académie Julian und studierte dann an der Académie des Beaux-Arts bei Léon Bonnat.

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