Porträt eines Chorherren aus St-Maurice

Nach dem Abbruch seiner künstlerische Ausbildung und der Rückkehr in seine Heimat musste sich Ritz den beiden einzigen Sujets zuzuwenden, die im Wallis praktiziert wurden: Kirchenmalerei und Porträts. Somit entfernte er sich zwar vom Künstlermilieu der grossen Städte, in denen er seine Ausbildung absolviert hatte, errang aber durch seine Werke rasch Anerkennung im gesamten Kanton. Insgesamt malte er über 650 Porträts, über die er ein Verzeichnis samt Entstehungsort und Funktion des Modells führte.

Infolge der Umsiedlung des Jesuitenkollegs von Brig nach Freiburg verlor Lorenz Justin Ritz seine Anstellung, worauf er sich in Sitten niederliess. 1839 eröffnete er eine private Zeichenschule und unterrichtete am städtischen Kollegium. Er hinterliess seinen Kindern aufschlussreiche Memoiren, die grossen Einblicke auf die künstlerischen Entwicklungen im Wallis des 19. Jahrhunderts gewähren.

Das Portrait eines Chorherren von St-Maurice zeigt diesen als Bruststück in einer Dreiviertel-Pose. Diese Darstellungsart ermöglicht, das Modell asymmetrisch zu inszenieren und so gegenwärtiger erscheinen zu lassen, was den Eindruck vermittelt, der Porträtierte würde gleich aus dem Bild steigen. Technisch verfährt der Künstler mit seinen Porträts stets gleich: in Öl und auf einer gespannten Leinwand. Beeinflusst durch seine Ausbildung fertigt er zuerst eine Vorzeichnung an und setzt erst dann mit dem Malen ein. Die Oberfläche wird mit mehreren Farbschichten überzogen: Er beginnt mit dem Grund, hier Hellgrün, und arbeitet allmählich die Nuancen der Töne heraus, um eine Beleuchtung von rechts zu suggerieren. Indem er mit den Details endet, kann er durch den Einsatz von Weiss die Helligkeit erhöhen und Spiegelungen betonen. Diese vervollständigen das Gemälde und beleuchten die Gesichtszüge und das Chorgewand.

Das Porträt, das seit der Renaissance ein eigenes Genre bildet, erhöht das Motiv und stellt die abgebildete Person in den Mittelpunkt. Der Maler begnügte sich nicht, ein naturgetreues Abbild der Wirklichkeit zu erstellen, er wollte den Charakter und die Persönlichkeit des Modells hervorheben. Der lächelnde Chorherr scheint in sich zu ruhen. Sein Porträt und der hellere, sein Gesicht umrahmende Hintergrund, verleihen ihm Weisheit.

Quelle: Anton Gattlen: Notizen aus meinem Leben, Aufzeichnungen des Walliser Malers Lorenz Justin Ritz

Ritz Lorenz Justin

Lorenz Justin Ritz wurde am 5. September 1796 als vorletztes Kind einer kinderreichen Familie im Gommer Dorf Niederwald geboren. Sein Vater bewirtschaftete einen kleinen Hof und wirkte daneben als Sigrist der Pfarrei. Ritz gibt 1812 seine Metzgerlehre in Brig zugunsten einer Ausbildung zum Maler und Vergolder in Einsiedeln auf. 

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