Stilleben mit Blumenstrauss und Büchern

Albert Chavaz hat mehrere Generationen von Walliser Künstlern entscheidend beeinflusst. Anne-Marie Ebener gehörte zur Gruppe der jungen Leute, die den in Savièse ansässigen Genfer Künstler von den beginnenden fünfziger Jahren an als geistigen Vater und Vorbild betrachteten, ohne seine Schüler zu sein. Sie bewunderten ihn und waren deshalb versucht, ihn zu imitieren. Dabei nahmen sie die Risiken und Gefahren in Kauf, die ein solches Gebaren gerne mit sich bringt. 
Die Malerei war nicht das einzige Gebiet, das Gefahr lief, zum Plagiat zu werden. Auch die Glasmalerei und das Mosaik, Gebiete, auf denen Chavaz eine fruchtbare Tätigkeit entfaltete, wurden von seinen «Schülern» gepflegt: von Anne-Marie Ebener und insbesondere von Jean-Claude Morend, dessen Stil Chavaz sehr eng verpflichtet war.
Unter den Ölgemälden und den Aquarellen gab es sklavische Nachahmungen und plumpe Kopien. Doch die begabtesten Maler liessen sich wohl durch Chavaz' Manier anregen, vermochten sich aber davon zu lösen und fanden zu einem persönlichen Ausdruck. 
Das Stilleben mit Blumenstrauss und Büchern ist in dieser Hinsicht bezeichnend. Der Auftrag ist pastoser, die Palette reicher, aber weniger nuanciert, die Schilderung der verschiedenen Bestandteile der Komposition einlässlicher als bei Chavaz. Der Meister hätte all diese Elemente ganz anders gestaltet. Doch der allgemeine Eindruck und die Empfindsamkeit sind sehr ähnlich. Man könnte von einer «Schule» sprechen, wie sie die Kunstgeschichte definiert, nämlich als Gemeinschaft von Künstlern, die Seite an Seite leben und das Ideal und die Methode teilen. Es ist bekannt, dass Chavaz mit zahlreichen Künstlern freundschaftlich verbunden war. Das ehrt den Älteren. Was Anne-Marie Ebener betrifft, so ist das tiefgründige Bildnis, das Chavaz von ihr gemalt hat, das augenfälligste Zeugnis für diese Beziehung.
 

Ebener Anne-Marie

Anne-Marie Ebener wurde am 28. März 1929 in Sitten geboren. Ihr Vater Wilhelm Ebener war Kantonsrichter. Nach der klassischen Matura begab sie sich 1948 nach Paris. Dort besuchte sie die Grande Chaumière und die Académie Julian.

Mehr