Die Kirche von Champéry

Diese Gouache, die sich wie ein Foto gibt und liest, hat heute dokumentarischen und historischen Wert, denn die Kirche, die der Künstler dargestellt hat, ist inzwischen umgebaut worden. Nur der Kirchturm, das zentrale Element in der Komposition des aus der Deutschschweiz stammenden Genfer Künstlers Erich Hermès, ist unverändert geblieben. 
Die Beziehungen des Malers zum Wallis gehen auf die schwierigen Jahre des Ersten Weltkriegs zurück. Damals fand er in Vérossaz eine Zufluchtsstätte. Dort entfaltete er eine malerische Tätigkeit, die noch weitgehend von der Manier Ferdinand Hodlers, dieser unumgehbaren Gestalt der damaligen schweizerischen Kunstszene, beeinflusst war. Hermès schuf für die Pfarrkirche seiner Wahlheimat eine monumentale Ausschmückung. Die vier Malereien im Chor stellen die Evangelisten, die zwei im Querschiff Hauptgestalten des Alten Testamentes, nämlich Moses und König David, umgeben von Engeln, dar. Diese Wandmalereien, die 1916 entstanden sind, wurden im Jahre 1950 bei der Restaurierung der Kirche leider übertüncht. Sie sollen im Frühjahr 1992 freigelegt werden. 
Zu Beginn der dreissiger Jahre widmete sich Hermès vor allem der Graphik, und er schuf zahlreiche Plakate. Da er sich auf diesem Gebiet hohes Ansehen erwarb, betraute ihn der von Pierre Darbellay geleitete Walliser Verkehrsverband mit der Durchführung seiner ersten Werbefeldzüge. So entstanden wirkungsvolle Plakate, in denen die dem Künstler so teure figurative Ausdrucksform vorherrscht. 
Die gleichen Eigenschaften finden sich in der Gouache Die Kirche von Champéry ungeschmälert wieder, nämlich die genaue Zeichnung, die geschickte, hier auf den Kirchturm ausgerichtete Komposition, die farbliche Ausgewogenheit. Das Ganze zeugt von einer sicheren Hand. Die rasch hingeworfene Gouache erreicht jedoch dank den präzis und sicher eingesetzten graphischen Mitteln die Bedeutung einer endgültigen Komposition. Hermès demonstriert die Macht des figurativen Bildes. Die Überzeugungskraft des Werbegraphikers überträgt sich hier vorteilhaft auf den künstlerischen Bereich.