Saint-Martin

Fred Fays langes Schaffen ist beeinflusst durch die Umwälzungen, welche die europäische Malerei in der Zwischenkriegszeit erfasst hatten. Er nimmt selbstverständlich Neuerungen des Kubismus und des Futurismus auf, aber ohne ihnen völlig zu erliegen. Die Motive seiner Kompositionen lösen sich in geometrischen Linien, in Formen und Oberflächen auf, die von sämtlichen Blickwinkeln aus sichtbar sind. Die Gesamtheit seines Werkes bleibt der figurativen Kunst treu und die Motive bleiben stets erkennbar. Mögen einzelne Motive abstrakt erscheinen, ist sein Schaffen doch frei von Techniken späterer Expressionisten. Im Gegenteil. Expressivität interessiert ihn nicht, er entwickelt dagegen einen verspielten Umgang der Lichtkontraste.

Sein Werk St-Martin steht beispielhaft für diese Theorie. Der Künstler gibt durch einen dichten Strich die Ton- und Lichtverhältnisse des Bildes wieder. Die Szenerie wird einerseits von links erleuchtet, wie man an der Kirche erkennt, aber ebenso von rechts, wie am Hang erkennbar. Diese Vorgehensweise dient dazu, das Dorf hervorzuheben. Das Motiv erscheint in vollem Glanz, was die Eindrücklichkeit der Berglandschaft verstärkt. Das Licht wird mehrere Male aufgefangen und neu interpretiert, wodurch das graphische Element den architektonischen Details gegenüber an Gewicht gewinnt.

Das Werk entstammt der zweiten Schaffensphase des Künstlers, der Klaren Periode. Der Begriff klar bezieht sich, ob nun bei den Walliser oder den mediterranen Landschaften, auf die Betonung der Lichtflächen. Die Architektur der Gebäude löst sich auf in Farbmodule, denen die Beleuchtung Tiefe und lineare Struktur verleiht. Die Bergvegetation wird durch schraffierte, abstrakte Einsprengsel angedeutet, wodurch die Konturen der Landschaft verschwommenen wirken.

Die vereinfachten Formen der Komposition rücken das Motiv des Gemäldes in den Vordergrund. Das Dorf wird von oben betrachtet. Man erkennt eine Strasse, die hinab ins Tal führt, zum dunklen Teil des Gemäldes auf der linken Seite. Das Dorf könnte für jedes andere Dorf in Mittelgebirgslage stehen, aber die Turmspitze der weissen Kirche spricht ganz klar für St-Martin.


Quelle: Fred Fay: Sitten, Musée de la Majorie, Catalogue d’exposition du 19 juin au 12 septembre 1971

Fay Fred

Fred Fay wird am 7. Juli 1901 in Basel geboren. Er wird bereits in jungen Jahren durch seinen Vater geprägt, einen Gemälde-Restaurator, der ihm Grundwissen über Maltechniken und Unterlagen vermittelte. Er vervollständigt seine Kenntnisse durch ein Kunststudium in Genf, wo sich zwischenzeitig seine Familie niedergelassen hatte.

Mehr