Trägheit der Materie

Öl auf Leinwand, 90 x 115 cm
«Malerin? Das ist brotlos!», meinte der Vater der heute 85-jährigen Mizette Putallaz, ein Winzer, der eher an einen Beruf wie Lehrerin dachte. Doch ihr Wunsch zu malen war stärker, was im Wallis der 50er Jahre keine Selbstverständlichkeit war. Es wurde hinter ihrem Rücken über sie geredet: «Wenn ich durch das Dorf ging, lachten die Leute, machten sich lustig über mich, sie waren gemein. Ich setzte mich unter den Birnbaum und weinte. Ich nannte ihn meinen Gedankenbaum. Und unter diesem Baum sagte ich mir, dass sie gewonnen haben, wenn ich aufgebe. Also habe ich weitergemacht und schliesslich habe ich gewonnen.» Sie meldete sich an der Walliser Kunstschule an und erhielt 1953 ihr Diplom. «Die Schule hatte kein Geld, um ein Diplom zu drucken. Also habe ich mein Diplom von Hand gezeichnet!»
Seither malt sie die stille Anwesenheit von Dingen, die Anmut eines Vogelflugs, dessen Form sie bis auf die Essenz herausarbeitet. Sie zeigt feine menschliche Gestalten, die keine Gesichtszüge haben, um «dieses Bild zu vermeiden, das die Leute von sich selbst vermitteln wollen», wie sie erklärt. Die Gesichter ihrer Gestalten gleichen diesen müssigen Amphoren, die sich in der Sonne bräunen, und deren Ansammlung an Mittelmeerstränden an die Zeit der menschlichen Herdenwanderung im Sommer erinnert. Trägheit der Materie, so lautet der Titel dieser lichterfüllten Komposition, die den Dingen Leben einhaucht, ihnen ein sanftes Wesen verleiht, eine lustvolle Passivität. Es ist die grosse Siesta der Welt, das Einstellen jeglicher Regung, die nachmittägliche Gelähmtheit unter der glitzernden Sommerbrise, in der die zuvor fleissigen Hände gestrandeten Booten gleichen.
 

Putallaz Mizette

In einer Reportage des Westschweizer Fernsehens von 2014 erzählte Mizette Putallaz, wie schwierig es war, in den 50er Jahren ihre Eltern davon zu überzeugen, dass sie sich ihrer Leidenschaft, der Malerei, widmen konnte. Wäre es nach ihrem Vater, einem Winzer, gegangen, hätte sie Lehrerin werden sollen. Sie wehrte sich, hielt durch und ertrug die Spötteleien und Sticheleien hinter ihrem Rücken, wenn sie durch das Dorf ging.

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