Die Kapelle von Veyras
Diesem Bild kommt im Werk Charles-Clos Olsommers ein doppelter Stellenwert zu, denn es gehört einerseits zur Gruppe der wenig zahlreichen Ölgemälde und ist andererseits eine der wenigen Landschaften, die der Künstler nach der Natur gemalt hat. Er zog es nämlich vor, phantastische Kompositionen zu erfinden, die ganz seiner Einbildungskraft entsprangen. Sie bilden den originellsten Teil seines Werkes.
Das will jedoch nicht heissen, dass der Künstler vor einer so allgemein praktizierten Gattung wie der Landschaftsmalerei zurückgeschreckt wäre. Unser Beispiel gibt ein kleines Gebäude wieder, das ihm vertraut war. Es handelt sich um die Kapelle von Veyras. Sie steht neben dem Grundstück, das der Neuenburger Künstler oberhalb von Siders erworben und auf dem er 1913 ein Atelierhaus erbaut hat. Die Gegend ist noch heute gut erhalten. Der Ansicht, die Olsommer gestaltet hat, kommt zugute, dass noch keine Strasse vorhanden war. Die poetische Freiheit, die sich der Künstler nahm, erlaubte eine geschickte Komposition, in der das weisse Kapellchen in die obere Hälfte des Bildes gerückt ist. Auf diese Weise schafft er einen weiten Raum, der dem bescheidenen Gotteshaus eine zusätzliche Grösse verleiht.
Die Palette beschränkt sich auf wenige Töne. Dadurch gewinnt die Schlichtheit des Bildes an Gegenwärtigkeit und Überzeugungskraft. Ob dem durch und durch figurativen Eindruck, der von diesem Motiv ausgeht, sollte man jedoch die rein künstlerischen Qualitäten nicht übersehen. Wenn man das Bild aufmerksam betrachtet, entdeckt man nämlich, dass es in hohem Masse malerisch wirkt. Der Pinselstrich ist lebhaft und ausdrucksvoll; ein blauer Fleck reicht aus, um das Vorhandensein eines Fensters anzudeuten; es handelt sich um Lokalfarben, gewiss, doch ihr Auftrag beweist eine meisterliche Beherrschung der Tonabstufung. Die Art, wie das Dach der kleinen Kapelle und die Wiese gestaltet sind, zeugt von der Virtuosität des Malers Olsommer.
Olsommer Charles-Clos
Charles-Clos Olsommer wurde am 17. März 1883 in Neuenburg geboren, wo sein Vater als Fotograf tätig war. Die Familie stammt aus Skandinavien. In den Jahren 1901 und 1902 besuchte er an der Ecole d'Art von La Chaux-de-Fonds den Unterricht Charles L'Eplatteniers.
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